Haltung und Werte

W3_ Werterahmen

Stand August 2023

 

  • Machtkritische Haltung

Der W3_ ist eine machtkritische Haltung wichtig. Machtverhältnisse prägen und durchziehen das gesellschaftliche Miteinander auf unterschiedlichsten Ebenen: Global, sozial, geschlechterpolitisch, finanziell im (beruflichen) Alltag, im eigenen Zuhause, ebenso wie im öffentlichen Raum. Nur wenn wir uns mit Machtverhältnissen auseinandersetzen, sie klar benennen und nicht negieren, können wir sensibel und gerechter miteinander agieren.

Wir reflektieren uns kontinuierlich und tauschen uns hierzu aus. Wir sind erreichbar und dankbar für Rückmeldungen und Kritik. Wenn weitere Schritte oder Maßnahmen notwendig sind, gehen wir diese gemeinsam. Dabei ist es uns wichtig, zu verstehen, dass Bildung nicht allen gleichermaßen zugänglich gemacht wird und die daraus resultierenden verschiedenen Wissensstände anzuerkennen. Uns ist weiterhin bewusst und wir möchten klar benennen, dass akademisches Wissen nur eine von vielen Formen der Auseinandersetzung und des Wissens darstellt. Von diesem Standpunkt ausgehendend, wollen wir uns gemeinsam auf den Weg machen.

  • Solidarität

Die W3_ versteht Solidarität sowie solidarisches Handeln als Mittel gegen globale, strukturelle und soziale Ungerechtigkeiten. Mit dem Fokus auf eigene Alltags- und Lebenswelten, verfolgt die W3_ das Ziel, ein Verständnis für nachhaltige und solidarische Beziehungsarbeit zu entwickeln und daraus individuelle wie kollektive, lokale wie globale emanzipative Handlungsmöglichkeiten abzuleiten und auszuprobieren.

Solidarität ist dabei als eine Haltung ebenso wie als Handlungsimpuls und als Moment des Empowerments zu verstehen. In diesem Sinne umfasst Solidarität für die W3_ auch Praktiken des Allyship (Verbündet-Seins), die eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit eigenen Privilegien, bestehenden Ungleichheiten und Herrschaftsverhältnissen inkludiert und das Mitdenken vielfältiger Perspektiven (im Sinne der Intersektionalität) einschließt. Allyship ist dabei kein Zustand, sondern eine aktive Praxis. Allyship zu betreiben bedeutet, eigene Privilegien anzuerkennen, kritisch zu reflektieren und diese nach dem Prinzip des Powersharings widerständig gegen die diskriminierenden Strukturen einzusetzen. Genau so geht es darum, die Positionierungen und damit verknüpften Erfahrungen anderer zu begreifen, Ungleichbehandlung als System zu erkennen und Solidarität in Haltung und Handlung zu praktizieren. Als privilegierte Person bedeutet Allyship manchmal für betroffene Personen einzustehen und sie damit zu schützen und es bedeutet genauso, sich bewusst zurückzunehmen, Platz zu machen und anderen Personen Raum und Wort zu überlassen, für sich und ihre Communities zu handeln und zu sprechen. Hierbei wird nach Bedürfnissen und Wünschen der betroffenen Personen gehandelt. Die W3_ versucht immer in Solidarität mit Personen, Gruppen, Communities, Regionen etc., die von struktureller Ungleichheit und Diskriminierung betroffen sind zu handeln, sei es aufgrund von Rassismus oder Geschlecht, aufgrund von imperialen Ausbeutungsstrukturen und kolonialen Kontinuitäten, aufgrund von Auswirkungen des Klimawandels und/oder Klassismus und Kapitalismus. Dabei ist die W3_ sich bewusst, dass Leerstellen existieren und diese bearbeitet werden müssen.

Zur Solidarität zählt für die W3_ auch, Generationengerechtigkeit sowie generationenübergreifendes, lebenslanges Lernen. In diesem Sinne versteht sich die W3_ auch als wichtiger Ort des politischen Austausches und Empowerments von älteren Menschen (Generation 60+) genauso wie von Kindern und Jugendlichen.

Die W3_ versteht Solidarität auch global und denkt Ansätze wie BNE, SDGs, sozial-ökologische Transformation und Buen Vivir mit.

Dabei versteht die W3_ Solidarität als etwas grundlegend anderes als Charity oder Wohltätigkeit, denn ein gesellschaftliches Verhältnis, in dem die einen aus einer privilegierten Position etwas abgeben und die anderen dies erhalten, tendiert dazu, bestehende Ungleichheiten und Abhängigkeiten zu verfestigen und konstruierte Hierarchien zu legitimieren, anstatt ihnen entgegenzuwirken. Gleichzeitig gilt es anzumerken, dass Solidarität nicht automatisch sozial oder emanzipatorisch ist – eine solidarische Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, basierend auf völkischen und rassistischen Verständnissen nationaler oder ethnischer Solidarität lehnt die W3_entschieden ab.

Menschen mit unterschiedlichen (Post)migrations- und/oder Fluchtgeschichten, Religionen und Sozialisierungen, trans* und cis, inter*, endo, agender und queere, be_hinderte und nicht be_hinderte Menschen, alte und junge Personen leben, lieben, interagieren und arbeiten in Deutschland. Dass diese und andere Differenzen zu Hierarchien und Marginalisierungen gemacht werden, ist Teil des Systems. Es geht darum, dies anzuerkennen, die Machtverhältnisse und Ungleichheiten sichtbar zu machen, die Leben beeinflussen, begrenzen und gefährden. Es geht darum diese Strukturen Stück für Stück zu dekonstruieren, die zu Marginalisierungen, Privilegien und damit zu ungleichen Teilhabemöglichkeiten, (strukturellem) Rassismus und strukturellen, physischen und psychischen Gewalterfahrungen führen.
Durch das Erlernen eines Bewusstseins für bestehende Unterdrückungssysteme und die eigene Position innerhalb dieser Systeme sowie darüber hinaus, wollen wir die politische Emanzipation des W3_Publikums fördern. Langfristig wollen wir Ideen und Wege an die Hand geben, wie sich für strukturelle Veränderung eingesetzt werden kann. Uns ist bewusst, dass dafür die Änderung des individuellen Verhaltens nicht ausreicht, sondern eine kollektive politische Antwort und Bewegung nötig ist, mit der wir uns solidarisch begreifen.

  • Rassismuskritische (und machtkritische) Diversität

Die W3_ lebt eine rassismuskritische Praxis. Wir verstehen Rassismus als eine historisch gewachsene Ideologie, ein System der Herrschaft und Dominanz. Dieses System, das bis heute Bestand hat, dient dazu, die ungleiche Verteilung von Macht, Privilegien, Ressourcen und Möglichkeiten der Selbstverwirklichung zu stabilisieren und zu legitimieren. Weiterhin ist es Quelle von physischer und psychischer Gewalt und damit lebensgefährlich.

Zentral für ein rassismuskritisches Handeln ist daher die Anerkennung und klare Benennung dieses existierenden rassistischen Systems. Es ist dieses System, in dem wir alle leben und agieren und das wir nur in einer kritischen und reflektierten Auseinandersetzung als machtvolle und diskriminierende gesellschaftliche Struktur sichtbar machen, und Schritt für Schritt dekonstruieren können.

In unserem Ansatz zur Bekämpfung von Rassismus gehen wir auch davon aus, dass sich die Positionen des weiß-Seins und nicht-weiß-Seins (BPoC) immer aufeinander beziehen – sie sind nicht unabhängig voneinander denkbar. Deshalb sollte die gesellschaftliche Privilegierung von Menschen, die keinen Rassismus erleben, thematisiert werden. (Dies bedeutet nicht, dass weiße Menschen nicht auch Diskriminierung und Ausgrenzung erleben können, jedoch erleben sieim vorherrschenden System niemals strukturellen Rassismus). Im Sinne von Critical Whiteness sollte der Fokus auch auf die weißen Strukturen, Narrative, Institutionen, Gesetze usw. gerichtet werden, die Rassismus (re)produzieren, von ihm profitieren, ihn aufrechterhalten, unsichtbar machen und legitimieren.

Das bedeutet für die W3_, dass weißsein und der damit verbundene Sonderstatus – das weiße Privileg – sollten nicht nur transparent gemacht, sondern auch hinterfragt werden. An dieser Stelle hört die Auseinandersetzung aber nicht auf, sondern sie beginnt:

“That is, the undoing of privilege occurs not by individuals confessing their privileges or trying to think themselves into a new subject position, but through the creation of collective structures that dismantle the systems that enable these privileges.” (Andrea Smith 2013).

Nur so kann Gleichberechtigung für alle in der Gesellschaft entstehen. Das heißt auch, dass Gleichberechtigung in einer ungleichen Gesellschaft nicht immer Gleichbehandlung meint.

Der W3_ ist bewusst, dass Rassismuserfahrungen vielschichtig sind und dass es wichtig ist, unterschiedliche Rassismen zu betrachten und zu bekämpfen, die wir hier explizit benennen möchten: Anti-Schwarzer-Rassismus, Anti-Asiatischer-Rassismus, Anti-Muslimischer-Rassismus, Gadje-Rassismus, sowie Anti-Jüdischer-Rassismus müssen als solche anerkannt. In unseren Programmen zur politischen Bildungsarbeit werden diese divergenten Erfahrungen und Geschichten berücksichtigt.

Weiterhin kann Rassismus nicht als alleinstehende Diskriminierungsform betrachtet werden, da das rassistische System mit verschiedenen anderen Formen der Diskriminierung interagiert, daher braucht eine diskriminierungssensible Arbeit immer einen intersektionalen Ansatz. Dass es hierfür nicht nur individuelles Handeln, sondern insbesondere auch strukturelle Veränderungen bedarf möchten wir auch an dieser Stelle noch einmal klar benennen. So ist es uns ein Anliegen, dass Rassismus in all seinen Formen, explizit benannt wird und in der W3_ aktiv verlernt wird.

  • Feminismen

In der W3_nehmen wir eine queerfeministische Perspektive ein, die grundsätzlich mit der Konstruktion von Geschlecht und Sexualität als Herrschafts- und Identitätskategorie brechen will.

Die W3_ erkennt an, dass es den einen Feminismus nicht gibt, vielmehr finden sich unter dem Begriff zahlreiche und vielfältige, oft auch einander widersprechende Konzepte, Strategien und Bewegungen, die sich im Laufe der Zeit weiter verändern. Heterogene feministische Bewegungen antworten auf verschiedene Herausforderungen in unterschiedlichen Regionen und Herrschaftsverhältnissen in der Welt. Die W3_ spricht deshalb von Feminismen, mit deren vielfältigen Erfahrungen, Perspektiven und Anliegen sie sich beschäftigt. Wir wollen nicht nur die Heterogenität der Kämpfe anerkennen, sondern auch Solidarität üben und Allianzen knüpfen. Intersektionalität, also das Zusammenwirken unterschiedlicher Formen von Diskriminierung, ist seit der Kritik und Intervention von Schwarzen feministischen Bewegungen, in jeder feministischen Auseinandersetzung auch für uns in der W3_unumstößliche Grundlage. Transfeindliche und rassistische Narrative und Konzepte sind nicht feministisch und die W3_ positioniert sich klar gegen “Trans Exclusionary Radical Feminism” (TERF), weißen und neoliberalen Feminismus.

Die W3_ kämpft gegen patriarchale Strukturen und Sexismus, d.h. gegen Diskriminierung aufgrund des zugeschriebenen Geschlechts. Hierbei sollen explizit auch Cis- und Heterosexismus benannt werden, die Binarität und Heteronormativität reproduzieren und damit trans*, inter*, nicht binäre und alle anderen genderqueeren Geschlechter, sowie jede Form queerer Beziehungen und Sexualität diskriminieren. Sexismus meint dabei sowohl die Einstellungen und Handlungen von Individuen als auch strukturelle Ideologien, Diskurse und gesellschaftliche Ordnungen. Die W3_ möchte dafür sensibilisieren, dass Geschlecht und Begehren sozial hergestellte Kategorien sind, die diskriminierende Strukturen erschaffen und aufrechterhalten.

  • Geschlechtergerechtigkeit

Bei Geschlechtergerechtigkeit geht es uns um das Überwinden von gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten und diskriminierenden, binären und gewaltvollen Strukturen, um Freiheit und Gleichheit für alle Geschlechter zu erreichen. Geschlechterbezogene Ungleichheiten und Gewalt durch patriarchale Strukturen müssen dabei immer in Wechselwirkung mit anderen Diskriminierungs- und Unterdrückungsstrukturen verstanden werden. Dazu gehören u.a.: rassistische, klassistische, queer- oder trans*feindliche, adultistische oder ableistische Strukturen. Die W3_ verfolgt die Gleichberechtigung aller Menschen und positioniert sich damit explizit gegen das cisnormative, binäre und hierarchische Geschlechtersystem. Dieses System ist sozial konstruiert und erlernt, wodurch Rollen, Körper und Handlungen auf Grundlage internalisierter cis Binarität zugeordnet und konditioniert werden.

Wir wollen bisherige Denk- und Möglichkeitsräume erweitern und beschäftigen uns mit der Frage, wie Geschlechterverhältnisse mit anderen Diskriminierungskategorien zusammenwirken und auf welche Weise wir selbst in diese Machtverhältnisse verstrickt sind. Der W3_ ist es wichtig, sowohl in geschlechtergerechte Theorie als auch geschlechtergerechte Praktiken und Sprache einzuführen. Geschlechtergerechte Sprache ist ein unabgeschlossener Lernprozess, in dem wir offen bleiben für neue Impulsen und Diskurse, und möglichst viele Mitstreitende gewinnen möchten.

Geschlechtergerechtigkeit ist ein Menschenrecht, festgeschrieben in internationalen Menschenrechtsverpflichtungen. Auch mit der Agenda 2030 haben sich alle UN-Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, bis 2030 weltweit Gleichberechtigung zu erreichen. Im Ziel für nachhaltige Entwicklung (SDG) Nummer 5 ist die Gleichberechtigung als eigenständiges Ziel der Agenda 2030 verankert. Neun weitere SDGs nehmen Bezug auf Geschlechtergerechtigkeit. Dies unterstreicht die Bedeutung des Themas. Jedoch wird allen FLINTA+ Personen weiterhin dieses grundlegende Menschenrecht verwehrt. In der Auseinandersetzung um Geschlechtergerechtigkeit, ist uns eine positionierte und dekoloniale Perspektive wichtig, die keine bevormundende „Aufklärungsarbeit“ leisten will. Weiterhin muss benannt werden, dass die kapitalistische Ökonomie und das moderne Geschlechterverhältnis sich gegenseitig prägen und bedingen:  auf Grundlage patriarchaler Strukturen wird systematisch jede Form der Sorge- und Reproduktionsarbeit als weiblich definiert und abgewertet. Dies wird zur Begründung dafür herangezogen, dass diese Arbeit häufig nicht entlohnt und in den privaten Bereich verlagert wird, was wiederum das Patriarchat und damit die männliche Vorherrschaft stärkt und legitimiert.

Wir wollen dem aktuellen antifeministischen Backlash weltweit aber auch und v.a. in Europa und Deutschland etwas entgegensetzen. Antifeminismus richtet sich direkt gegen sexuelle, geschlechtliche und romantische Vielfalt, Reproduktions- und Selbstbestimmungsrechte, gegen Gender Studies und Gender Mainstreaming (sog. Antigenderismus). Darunter fällt auch das vermeintliche „Engagement“ für Frauenrechte von Rechts, welches sich rassistischer queer- und trans*-feindlicher Stereotype bedient und dessen Ziel es ist, Rassismus zu legitimieren und feministische Kämpfe gegen Sexismus zu delegitimieren. Auch mit sog. postfeministischen Gender-Regimen/geschlechtsspezifischen Neoliberalismus, der einigen weiblich identifizierten Personen bestimmte Freiheiten (sexuell, beruflich) gewährt, aber radikale gesellschaftliche Veränderung verhindert, setzen wir uns kritisch auseinander.


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